Du fragst Dich vielleicht: Wie kommt eine Organisation eigentlich zu EU-Förderungen? Und wofür werden diese Mittel verwendet?
Hier wollen wir ganz offen und verständlich erklären, wie der Weg zu einer EU-Förderung aussieht, wie streng die Regeln sind – und was es bedeutet, wenn diese Förderungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn eines ist klar: EU-Fördermittel sind ein wichtiges Instrument, um konkrete Projekte für Menschen umzusetzen – in Österreich, Europa und weltweit.
1. Wer kann EU-Förderungen bekommen – und warum überhaupt?
Die Europäische Union vergibt Fördergelder, um bestimmte gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche oder ökologische Ziele zu unterstützen. Dazu zählen etwa:
- Armutsbekämpfung
- Bildung und Qualifizierung
- Integration und Inklusion
- Umwelt- und Klimaschutz
- Internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe
Förderfähig sind z. B. Kommunen/Städte, Schulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen oder eben auch gemeinnützige Organisationen wie ADRA.
NGOs wie wir bewerben sich um diese Förderungen, weil wir dadurch zusätzliche Projekte umsetzen können – Projekte, die sonst nicht möglich wären, aber sehr viel bewirken.
2. Der Weg zur Förderung: aufwändig, komplex und mehrstufig
Ein EU-Projekt zu bekommen ist kein einfacher Schritt, sondern ein Prozess, der mehrere Monate bis Jahre dauern kann. Im Schnitt dauert allein die Antragstellung oft 3 bis 6 Monate – zusätzlich zur langen Vorbereitungszeit.
2.1 Fördermechanismen
Die EU hat eine Vielzahl verschiedener Fördermechanismen, wovon ein Großteil bilaterale Unterstützung ist. Ein kleiner Teil wird durch Ausschreibungen an Firmen, Institute, Universitäten und NGOs vergeben. Davon geht ein Teil für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZA) im globalen Süden, aber auch an Staaten in der EU. Diese Fördermechanismen unterliegen unterschiedlichen Regularien und sind sehr komplex. ADRA Österreich hat nur Gelder im Bereich der EZA im globalen Süden angesucht und kennt sich nur in diesem Bereich aus.
2.2 Projektidee und Partnersuche
Zunächst braucht es eine konkrete, förderfähige Projektidee. Diese muss zu den Zielen eines EU-Programms passen – z. B. zu „Erasmus+“, „Horizon Europe“, „Creative Europe“, „Europäischer Sozialfonds Plus“ oder wie für ADRA wichtig zur „Internationalen Entwicklungszusammenarbeit“.
In vielen Programmen sind Partnerschaften mit Organisationen aus anderen EU-Ländern vorgeschrieben. Es braucht also ein starkes Netzwerk mit Partnern, die ihr Know-how zusammentragen, gemeinsam planen und später auch umsetzen. ADRA Österreich kann hier auf ein umfangreiches und weltweites Netzwerk an Partnerbüros und kirchlichen Einrichtungen zurückgreifen. Einen Antrag zu formulieren, der Chancen auf eine Umsetzung haben soll, erfordert langjährig aufgebautes Know-how und umfangreiche Expertise.
2.3 Antragstellung
Die Antragstellung ist sehr aufwändig. Sie findet in zwei Phasen statt und umfasst eine Konzeptphase und Proposal-Phase mit detailliertem Antrag zu folgenden Themen:
- Detaillierte Projektbeschreibung (Ziele, Zielgruppen, Methoden, Veränderungsprozess und Wirkung)
- Zeitplan und Meilensteine
- Budgetkalkulation (nach exakten Vorgaben)
- Wirkungslogik (Was soll wie konkret verbessert werden?)
- Monitoring- und Evaluierungspläne
- Nachhaltigkeitsstrategie
- Risikoplanung
- Gleichstellungs- und Diversitätskonzepte
Vom Schreiben des Konzepts bis zur Auswahl nach dem vollen Antrag dauert es annähernd ein Jahr. Die Formulare sind sehr technisch und ausschließlich auf Englisch oder Französisch verfügbar. Fehlerhafte Anträge werden meist direkt abgelehnt wegen des großen Andrangs von Ansuchen. Meist bewerben sich Hunderte Organisationen und unter 10 NGOs bekommen dann ein Projekt. Nach dem letzten positiven Antrag für ein Projekt in Nepal hat ADRA Österreich Geschäftsleiter Marcel Wagner den Verantwortlichen Mitarbeiter von der EU in Kathmandu beim Startup Workshop getroffen und er meinte, dass sich für diese Ausschreibung über 1000 Organisationen beworben haben, aber nur 6 Organisationen wurden ausgewählt, darunter war ADRA.
2.4 Bewertung und Auswahl
Das Auswahlverfahren der Anträge wird von externen Expertengruppen geleitet, um Vetternwirtschaft auszuschließen. Diese bewerten zum Beispiel:
- Relevanz und Klarheit des Projekts
- Innovationskraft
- Realistische Umsetzung
- Wirkung auf Zielgruppen
- Kosteneffizienz
- Erfahrung der Organisation
Nur die besten Projekte werden gefördert – oft erhalten weniger als 10–20 % der eingereichten Projekte eine Zusage. Das ADRA im Schnitt jeden zweiten Antrag gewinnt, zeigt die jahrelange Erfahrung und Expertise des ADRA-Büros in Österreich.
3. Wenn das Projekt genehmigt wird: Verantwortung und Kontrolle
Eine Projektzusage ist kein Freibrief. Mit der Förderung geht eine hohe Verantwortung einher. Organisationen verpflichten sich, das Projekt genau wie beantragt umzusetzen.
3.1 Vertrag mit der EU
Das sogenannte „Grant Agreement“ ist sehr umfangreich und regelt alle Rechte und Pflichten, was verbunden ist mit einem hohen administrativen Aufwand
- Wofür das Geld verwendet werden darf
- Inhalt, Form und wann die Berichte abzugeben sind
- Wie mit Risiken umzugehen ist
- Welche Nachweise notwendig sind
Bis zum Vertragsabschluss dauert es meisten nochmals mehrere Monate bis alle rechtlichen Details geklärt sind
3.2 Berichterstattung und Audits
ADRA muss jährlich einen detaillierten Bericht einreichen:
- Narrative Reports (inhaltliche Berichte)
- Finanzberichte mit Belegen
- Teilnehmerlisten, Fotodokumentationen, Arbeitsnachweise
- Zwischen- und Endberichte inkl. Erfolgskontrolle einreichen
Die EU-Kommission oder externe Prüfer kontrollieren regelmäßig, ob die Vorgaben eingehalten werden. Diese Kontrollen finden vor Ort statt und prüfen die Finanzen sowie die Arbeiten im Feld. Bei Unregelmäßigkeiten können Gelder zurückgefordert werden.
3.3 Transparenz
Alle geförderten Projekte müssen öffentlich dokumentiert werden – etwa auf der EU-Website für Finanztransparenz, in Projektdatenbanken oder durch Informationspflichten in der Kommunikation der Organisation. ADRA Österreich erwähnt sowohl im Jahresbericht als auch auf der Website, welche Projekte mit finanzieller Unterstützung der EU und anderer öffentlicher Fördergeber erfolgt sind.
ADRA Österreich ist der transparente Umgang sehr wichtig. Wie überall gibt es auch in unseren Projekten hin und wieder Probleme, die wir gemeinsam mit unserem Ansprechpartner bei der EU zu lösen suchen. Grundsätzlich sind diese im Detail geplanten und gut überwachten Projekte ein großer Erfolg für die Begünstigten. Marcel Wagner sagt „Ich kann mich sehr gut an das erste von der EU geförderte Projekt in Nepal erinnern, wo wir nach 4 Jahren harter Arbeit mit gut 16.000 Farmern lokale Märkte entwickeln konnten, und Markanbindungen ermöglichen, um das Gemüse zeitnah und in guter Qualität an Händler zu verkaufen. Der erzielte Profit war höher als die Löhne der Männer, die ihre Familien lange vor Projektbeginn verlassen hatten, um in den Emiraten auf Baustellen zu arbeiten. Als ich einen der Dorfältesten am Schluss des Projekts gefragt hatte, was die wichtigste Veränderung im Leben der Dorfgemeinschaften ist, hat er mir, ohne nachzudenken gesagt, dass ca. 90% der Väter, die in den Emiraten gearbeitet haben, wieder zu Hause sind und gemeinsam mit der Familie das Leben meistern können.“
4. Was passiert, wenn EU-Förderungen gekürzt werden?
Wenn EU-Förderungen entfallen, bedeutet das nicht nur einen finanziellen Verlust – sondern oft das Ende wichtiger Projekte. Die Folgen sind:
- Weniger Bildungsangebote für benachteiligte Gruppen
- Weniger Hilfe für Menschen in Not, z. B. Geflüchtete, Frauen, Kinder, insbesondere aber auch ausgegrenzte Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen
- Weniger internationale Zusammenarbeit bei Themen wie Katastrophenschutz oder Menschenrechten
- Weniger Innovation in sozialen und ökologischen Bereichen
Besonders betroffen sind Projekte, die langfristig und nachhaltig wirken sollen – zum Beispiel Bildungsprojekte für ausgegrenzte Mädchen oder Maßnahmen zur Klimaanpassung. Wenn keine Investitionen mehr in die Anpassung an den Klimawandel fließen, werden Naturkatastrophen noch stärker zunehmen und immer mehr Menschenopfer fordern.
5. Warum EU-Förderungen gut investiertes Geld sind
NGOs, wie ADRA arbeiten gemeinnützig, effizient und mit viel Herzblut. Mit vergleichsweise geringen Mitteln können sie viel erreichen – dort, wo staatliche Angebote an ihre Grenzen stoßen. EU-Förderungen machen diese Arbeit möglich.
Ein Euro, der in ein gut geplantes Projekt investiert wird, schafft oft ein Vielfaches an gesellschaftlichem Mehrwert:
- Menschen finden Zugang zu Bildung, Arbeit oder medizinischer Versorgung.
- Kinder in benachteiligten Regionen bekommen Zukunftschancen.
- Dorfgemeinschaften entwickeln Lösungen für lokale Probleme.
Alle unsere geförderten Projekte sind ausschließlich bedürfnisorientiert geplant und umgesetzt und als integrativer Bestandteil der staatlichen Strategie des jeweiligen Landes verankert.
6. Warum EU-Förderungen ohne Eigenmittel nicht funktionieren – und Spenden so wichtig sind
Was viele nicht wissen: Um eine EU-Förderung überhaupt zu bekommen, müssen Organisationen einen Teil der Projektkosten selbst aufbringen – sogenannte Eigenmittel. Dieser Anteil kann je nach Programm zwischen 10 % und auch deutlich mehr betragen. Das bedeutet: Ohne private Spenden können viele Projekte gar nicht starten.
Für eine NGO wie ADRA ist das eine große Herausforderung. Denn wir arbeiten nicht gewinnorientiert. Wir sind also auf Menschen wie Dich angewiesen, die unsere Arbeit mit Spenden möglich machen. Jede private Spende ist dabei nicht nur wertvoll, sondern sie wirkt oft wie ein Hebel: Durch die Kofinanzierung über EU-Programme kann aus einem gespendeten Euro schnell ein Mehrfaches werden, das dann direkt in Hilfsprojekte für Menschen in Not fließt.
So entsteht aus Deiner Unterstützung ein vielfacher Nutzen – für Bildung, für Gerechtigkeit, für Nächstenliebe in der Praxis.
Fazit
EU-Förderungen für NGOs sind kein Geschenk, sondern eine Investition in Menschen, Werte und Lösungen. Der Weg zu diesen Förderungen ist anspruchsvoll und verlangt Verantwortung, Transparenz und viel Fachwissen.
Organisationen wie ADRA nehmen diese Verantwortung sehr ernst – weil wir daran glauben, dass wir gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten können.